spiegel.de, 02.06.2008 (Zugriff: 10.02.2016)
„Mit einem Boykott wehren sich die Milchbauern gegen niedrige Preise für ihre Produkte. […] Gemeinsam fordern sie nicht nur Molkereien und Discounter heraus, sondern auch den mächtigen Bauernverband. […]
“Sie sind für uns kein Partner mehr", schrieb Theo Müller junior, der Sohn des umstrittenen Milchbarons, einer bayerischen Erzeugergemeinschaft, die für höhere Preise demonstriert hatte und keine Knebelverträge über zwei Jahre akzeptierte.
In Bayern wollte danach keine andere Molkerei die Milch der 250 Landwirte abnehmen, sie wurde am Ende über einen Händler nach Italien verkauft. […]“.
mdr.de, 16.11.2015 (Zugriff: 12.02.2016)
Laut mdr.de bietet Sachsenmilch 2016 aus Asylbewerbern einen Ausbildungsplatz:
"Die Sachsenmilch Leppersdorf GmbH bietet Flüchtlingen im kommenden Jahr die Chance, sich auf einen Ausbildungsplatz zu bewerben. Nach Angaben des Unternehmens stehen ab Herbst 2016 insgesamt 40 Plätze für einheimische Bewerber und Asylbewerber zur Verfügung".
nzz.ch, 25.05.2010 (Zugriff: 11.02.2016)
Die Neue Zürcher Zeitung schreibt:
"Auf diesen Erfolg fällt jedoch ein Schatten: Theo Müller hat in einer Situation der bekannten Überkapazitäten in der Molkereiindustrie 70 Millionen Euro Fördermittel der EU (grösster Nettozahler: Deutschland) und des Bundeslandes Sachsen dazu benutzt, um 158 neue Arbeitsplätze in Sachsen zu schaffen – und gleich anschliessend eine 85-jährige Betriebsstätte in Nieder sachsen mit 175 Arbeitsplätzen geschlossen. Begründung: Überproduktion. Da fällt es schwer, seine Kritik vom Schuldenmacherstaat ernst zu nehmen. Steuergelder nehmen, wo man sie kriegen kann, und dann die Zeche beim kleinen Mann zu lassen – denn selber will er ja weder Einkommen noch Vermögen in Deutschland versteuern.
Belehrungen zum Staatsverständnis haben wir letzthin auch von Chefs einer grossen Bank erhalten, bevor deren Unternehmen dann vom Staat gerettet werden musste. Ich glaube, wir brauchen solche Belehrungen auch von Herrn Müller nicht".
spiegel.de, 11.03.2008 (Zugriff: 10.02.2016)
„BGH-Urteil: Greenpeace darf Müller-Milch als "Gen-Milch" bezeichnen
[…] Es ist der Schlusspunkt nach einem jahrelangen Streit: Greenpeace darf Milch von Kühen, die gentechnisch verändertes Futter fressen, als "Gen-Milch" bezeichnen. Dies sei nicht unwahr und daher vom Grundrecht der Meinungsfreiheit geschützt, urteilte heute der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe - und verwarf damit die Revision der bayerischen Unternehmensgruppe, die bereits vor dem Oberlandesgericht Köln in dritter Instanz gescheitert war.
Greenpeace hatte 2004 und 2005 die Verwendung gentechnisch manipulierter Futtermittel bei der Milchherstellung kritisiert und dabei die Marken der Theo-Müller-Gruppe - Müller, Weihenstephan und Sachsenmilch - als "Gen-Milch" bezeichnet. Dagegen klagte das Unternehmen mit dem Argument, das gentechnisch veränderte Futter führe zu keinen Veränderungen der Milch selbst.
Ob sich "Gen-Milch" von anderer Milch unterscheide, und ob die veränderten Gene des Futters überhaupt in die Milch übergehen können, sei aber rechtlich "unerheblich", stellte nun der BGH klar. Der Begriff "Gen-Milch" sei nämlich auch so zu verstehen, dass gentechnische Verfahren im Produktionsprozess verwendet werden. […]
Ein Unternehmenssprecher bedauerte das BGH-Urteil. Der Begriff "Gen-Milch" führe den Verbraucher "bewusst in die Irre und macht glauben, unsere Milch sei gentechnisch verändert". […]“.
spiegel.de, 02.06.2008 (Zugriff: 10.02.2016)
„Mit einem Boykott wehren sich die Milchbauern gegen niedrige Preise für ihre Produkte. […] Gemeinsam fordern sie nicht nur Molkereien und Discounter heraus, sondern auch den mächtigen Bauernverband. […]
“Sie sind für uns kein Partner mehr", schrieb Theo Müller junior, der Sohn des umstrittenen Milchbarons, einer bayerischen Erzeugergemeinschaft, die für höhere Preise demonstriert hatte und keine Knebelverträge über zwei Jahre akzeptierte.
In Bayern wollte danach keine andere Molkerei die Milch der 250 Landwirte abnehmen, sie wurde am Ende über einen Händler nach Italien verkauft. […]“.
südddeutsche.de, 10.05.2015 (Zugriff: 09.02.2016)
„Die schwäbische Marktgemeinde ernennt den streitbaren Unternehmer Theo Müller zum Ehrenbürger“
Bei den Feierlichkeiten verhehlt Bürgermeister „Ziegelmeier […]nicht, dass Müller und er ab und an aneinanderrauschen. "Sie immer mit Ihren Genehmigungen!", soll der expansionsfreudige Firmenboss einmal gerufen haben, zum Bauen brauche man "koi Genehmigung - sondern a Geld und a Wies."
Theo Müller selbst räumt ein, nicht immer strikt alle Regeln befolgt zu haben. "In der Buttermilchsaison war die Arbeitszeitverordnung bei uns net immer ganz vorne dran", beichtet er in Richtung Wirtschafts-Staatssekretär Franz Pschierer, "aber meine fleißigen Mitarbeiter waren stolz drauf." […]
Sein Umzug ins Steuerparadies brachte ihm viel Kritik ein. Medien bezeichneten ihn als "Fiskalflüchtling" oder "Steuerasylant". Er selbst sagt beim Festakt: "Mir blieb gar nichts anderes übrig als wegzuziehen." Und: "Ich gebe gerne zu, im Zentrum meines Bemühens steht der Profit." Er zeigt eine Folie seines Firmengeflechts und erzählt: "Wer mich fragt, ob ich das Konstrukt verstehe, dem sage ich, ich bemühe mich." Es sei nun mal nötig, "um möglichst wenig gerupft davonzukommen". […]“.
Spiegel.de 30.11.2009 (Zugriff: 09.02.2016)
„[…] Wenn es um Recht und Gesetz geht, versteht man im Riesenreich des Theo Müller selten Spaß. Dieser Tage klagt der Konzern gegen mehrere Verbände und eine Handvoll Milchbauern auf mehr als 600 000 Euro Schadensersatz, weil sie eine seiner Molkereien drei Tage lang blockiert hatten. Kritische Journalisten bekommen regelmäßig Post von seinen Rechtsanwälten, und wenn sich erzürnte Bürger zu einer unangemeldeten Demonstration vor dem Werktor versammeln, kann es schon mal sein, dass der kahlköpfige Firmenpatriarch selbst Hand anlegt, um rustikal für Ruhe und Ordnung zu sorgen.
Wenn es freilich um wirtschaftliche Vorteile geht, kann der bayerische Milliardär Recht und Gesetz auch sehr kreativ auslegen. Es gibt Kleinaktionäre, die über Jahre hinweg vergebens auf Dividendenausschüttung klagten, weil, so ihr Vorwurf, "bilanztechnisch getrickst" wurde. Und es gibt ein Müller-Werk in Sachsen, das auf wundersame Weise in den Genuss riesiger Subventionen kam.
Der staatliche Geldsegen für den streitbaren Milch-Baron ging hernieder in Leppersdorf bei Dresden. Hier steht eine der größten und modernsten Molkereien Europas, sie kann pro Jahr 1,5 Milliarden Liter Milch verarbeiten. […] Mehr als 400 Millionen Euro investierte der Unternehmer seither in seine sächsische Außenstelle, gut 70 Millionen Euro Fördermittel schossen EU und Freistaat Sachsen dem Projekt zu. In Frage steht allerdings, ob sich der gewiefte Kaufmann, der inzwischen aus steuerlichen Gründen seinen Wohnsitz in die Schweiz verlagerte, einen Teil der Millionen einer trickreichen Firmenumstrukturierung zu verdanken hat.
Indizien sprechen für diese These: 2002 - ein paar Monate vor der Bewilligung der Fördermittel - wandelte sich die Großmolkerei in der sächsischen Provinz in eine Ansammlung kleiner Milchläden. Im Handelsregister erschienen plötzlich neun Unternehmen, die alle dieselbe Firmenadresse hatten: An den Breiten, 01454 Wachau. Es ist das Gelände der Molkerei zu Leppersdorf.
[…] Ohne das kreative Firmensplitting wäre der Millionenzuschuss für Leppersdorf in dieser Höhe kaum möglich gewesen. Der Beihilfebescheid, der im November 2003 von der Europäischen Kommission abgesegnet wurde, nennt als Rechtsgrundlage für die Förderung das deutsche Investitionszulagengesetz. Darin sind auch die Förderquoten für Unternehmen festgelegt: Große Firmen können demnach als staatlichen Zuschuss 5 bis 15 Prozent der Investition erhalten; bei kleinen Firmen mit weniger als 250 Mitarbeitern steigt die Quote auf bis zu 27,5 Prozent.
Für die Großmolkerei Leppersdorf errechneten die Beamten dennoch einen Fördersatz wie für einen Kleinbetrieb: 22,8 Prozent. Im konkreten Fall brachte das dem Branchenprimus Müller 40 Millionen Euro aus der Kasse des Freistaats Sachsen. Als Begünstigte werden die Sachsenmilch Anlagen Holding AG, die Sachsenmilch Investitions-GmbH und weitere fünf Betreibergesellschaften genannt - vier davon kurz zuvor gegründet. Allesamt, so steht es im Bescheid, "direkte bzw. indirekte Töchter der Molkerei Alois Müller GmbH & Co. KG".
Alles für Müller, oder was? Die Beteiligten an dem sonderbaren Subventionsfall schweigen sich weitgehend aus. Ein Konzernsprecher verweist allgemein darauf, "dass die Vergabe der EU-Fördermittel nach eingehender Prüfung durch die Behörden" erfolgt sei. Und dass "sämtliche Fördermittel gemäß der geltenden Regelungen" bewilligt worden seien. Auf die Gründe für die Aufteilung der Molkerei in mehrere kleine Unternehmen mochte Müller nicht eingehen.
[…] Dass Müller keine Aussage machen wollte, war ebenso legitim wie verständlich. Schon aus anderem Grund musste sich der Unternehmer seinerzeit einer Subventionsdebatte erwehren. Der Konzern hatte in Leppersdorf 144 neue Dauerarbeitsplätze versprochen, was die EU-Kommission bei der Genehmigung der Beihilfen ausdrücklich berücksichtigte.
Was die Brüsseler Beamten freilich nicht ahnten: Müller strich fast zeitgleich 165 Jobs in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Neue Arbeitsplätze entstanden im preiswerteren Osten - mit großzügiger Hilfe des Steuerzahlers.
Natürlich bleibt es jedem Unternehmer unbenommen, eine große Firma in eine Vielzahl kleiner Betriebe umzuwandeln. Doch die millionenschwere Förderung kleiner Unternehmen sollte, so der ordnungspolitische Wille der Politik, auch tatsächlich bei kleinen Firmen ankommen. Subventionsexperten wie André Schmidt, der an der Universität Witten/Herdecke einen Lehrstuhl für Makroökonomik und Internationale Wirtschaft hält, sieht hier mindestens einen "Graubereich des Gesetzes". […)“.
welt.de, 30.01.2010 (Zugriff: 08.02.2016)
„[…] 70 Jahre wird der schwäbische Molkereiunternehmer [Theo Müller] heute alt, und im Lauf seines Lebens hat er vielen Leuten das Fürchten gelehrt – Milchbauern und Umweltschützern genauso wie kritischen Journalisten oder Managern im eigenen Hause. Gut ist sein Ruf in der Branche nicht, als streitbar gilt er, als stur und allein den eigenen Interessen verpflichtet.
Doch selbst seine Kritiker zücken den Hut vor der Karriere, die der Sohn eines einfachen Molkereibesitzers hingelegt hat. Gerade einmal vier Angestellte hatte das väterliche Unternehmen, als Sohn Theo Anfang der 70er-Jahre dort einstieg. Innerhalb weniger Jahre machte er aus dem kleinen Betrieb ein wahres Milch-Imperium, das inzwischen die größte Privatmolkerei hierzulande ist und europaweit immerhin zu den zehn größten der Branche gehört. […]
Tatsächlich hat sich Theo Müller in regelmäßigen Abständen mit Leuten aus seinem Umfeld angelegt. […] Vor einigen Jahren etwa mussten die Milchbauern – eigentlich die Ammen seines Geschäfts – die Ruppigkeit des Milchbarons erfahren, der den Milchpreis zu senken versuchte, indem er massiv Druck auf die Erzeuger ausübte. Denen, die sich ihm öffentlichkeitswirksam widersetzten und von ihm als Rädelsführer des Protests angesehen wurden, kündigte er kurzerhand den Milchabnahmevertrag – ein harscher Akt eines Großabnehmers, der die Zulieferbetriebe teils in existenzielle Nöte brachte.
Noch weiter ging er im Streit mit der Umweltorganisation Greenpeace, die ihn 2004 öffentlich anprangerten, "Genmilch" und "Genjoghurt" zu vertreiben – nachdem sie bei mehreren Höfen, die seinen Konzern belieferten, gentechnisch verändertes Futtermittel gefunden hatten. Statt sich der Diskussion zu stellen, schäumte Müller über vor Zorn und lieferte sich angeblich Handgreiflichkeiten mit Fotografen, die sich vor seinen Fabriktoren postiert hatten. Nachdem einer seiner Werksschützer demonstrierende Greenpeace-Aktivisten trotz Eiseskälte mit einem Feuerwehrschlauch vertrieben hatte, war Müller schier begeistert und soll ein feuriges Gratulationsfax an die dortige Belegschaft geschickt haben.
Zahlreich sind die Schlagzeilen, die der Familienunternehmer im Laufe der Jahre füllte – sei es, weil er das kirchliche Hilfswerk Misereor verklagte, nachdem es mit einer Anzeigenserie die Plastikverpackung der Müllerprodukte kritisiert hatte, oder weil man ihm vorwarf, in großem Stile staatliche Subventionen abgegriffen und missbraucht zu haben. […]
Nachdem er sich Anfang des Jahrtausends zurückgezogen hatte, hatte Müller sein Molkereiunternehmen zunächst einem Fremdmanagement übergeben. Doch die Lösung sollte nicht von großer Dauer sein, eine um die andere Spitzenkraft warf den Bettel hin – angeblich weil der Umgang mit dem eigenwilligen Firmenpatriarchen zu problematisch war. Einige Wechsel im Management musste das Unternehmen seither verknusen, was weder im Innern noch für die Außenwirkung förderlich gewesen sein dürfte. […]“.
zeit.de, 17.05.1991 (Zugriff: 03.02.2016)
"Wo die Herren vom Landratsamt waren, als ein „unglaublich dreister Wasserdiebstahl durch Müller aufgedeckt wurde“, das will jetzt der Landtagsabgeordnete Raimund Kamm von den Grünen auf parlamentarischem Wege herausfinden. Kamm behauptete, er habe herausgefunden, daß Müller seine Genehmigung zur Grundwasserentnahme (600 000 Kubikmeter für 1990) erheblich überschritten habe. Kamm: „Der hat nach meinen Informationen, die mir inzwischen bestätigt wurden, zwischen 900 000 und 1,3 Millionen Kubikmeter Grundwasser entnommen.“ Besonders prekär daran ist, daß es sich bei dem zusätzlich entnommenen Grundwasser um sogenanntes Tertiärwasser aus großer Tiefe handelt, das als äußerste Trinkwasserreserve gilt. „Und dieses wertvolle Wasser, immerhin rund 400 000 000 Liter oder mehr, das wurde ganz offensichtlich nur zum Kühlen und Reinigen verwendet.“
Der technische Geschäftsführer Günter Meyer bestätigt, daß die Firma mehr Grundwasser als genehmigt entnommen hat. Die Menge von 1,3 Millionen Kubikmeter stellt er jedoch in Abrede. Aber das Landratsamt Augsburg sei informiert worden, daß mehr als genehmigt entnommen werden müsse. Dies hat inzwischen Landrat Karl Vögele bestätigt, ebenso die Erklärung von Meyer, daß Müller-Milch gegen den Genehmigungsbescheid über 600 000 Kubikmeter Grundwasser Widerspruch eingelegt habe. „Die Mehrentnahme ist aus der Not geboren. Wenn die Produktion wegen der DDR um fünfzig Prozent steigt, dann müssen wir eben produzieren. Wir können ja die Milch nicht vergammeln lassen, die muß gekühlt werden“, sagt Günter Meyer. „Mit der Mitteilung an die Behörden sind wir unserer Informationspflicht nachgekommen. Wir brauchen das nicht groß weiter auszubreiten.“[…]“.
zeit.de, 01.11.1991 (Zugriff: 03.02.2016)
„[…]Unter der Überschrift „Gebaut wird immer“ hatte die Molkerei Müller vor einem halben Jahr noch freimütig in einer PR-Veröffentlichung die hauseigene Art der Betriebserweiterung beschrieben: „Bei Müller ist es sozusagen Tradition, aus eigener Kraft Bauvorhaben zu konzipieren, die Planungsvorbereitungen eigenständig durchzuführen und binnen kürzester Zeit die Inbetriebnahme vorzunehmen.“ Was das im Klartext heißt, wissen die Beamten im Landratsamt Augsburg nur zu gut: „Die Firma Müller hat einige Dutzend Schwarzbauten errichtet, wobei man sagen muß, daß jeder einzelne dieser großen Milchtanks als einzelnes Bauvorhaben zählt“, sagt Josef Gediga, der Leiter der Bauabteilung im Landratsamt. Lange Zeit kümmerte sich Müller wenig um eine Genehmigungspflicht, baute einfach weiter. „Sogar in diesem Frühjahr gab’s noch einzelne Versuche, aber wir sind strikt eingeschritten mit Baueinstellungen und Bußgeldbescheiden.“
Vorbei sei die Zeit, da man sich auf schriftliche Aufforderungen verlassen habe, sagt Gediga. Der seit Januar amtierende Bauamtsleiter hat inzwischen zu ungewöhnlichen Mitteln gegriffen. „Wir werden alles mit formellen Bescheiden untermauern. Wenn die Firma etwas beizubringen hat – seien das Gutachten oder Messungen oder was auch immer –, dann wird das in einen Bescheid hineingeschrieben und gleich ein entsprechendes Zwangsgeld festgelegt.“ Allein dieser Tage werden der Molkerei Müller sieben Bescheide mit einer Zwangsgeldandrohung von jeweils 10 000 Mark ins Haus geschickt.
Einige Betriebsteile müssen umgehend saniert werden, fordert Gediga: die viel zu laute Milchannahme im Ort, die Rührwerke in den riesigen Milchtanks und die Granulattanks. Die Klagen der Bevölkerung über Lärm und Gestank seien völlig berechtigt. Nun seien der Firma klare Fristen gesetzt worden. Müller-Milch müsse das viel zu lange verzögerte Gesamtlärmgutachten ergänzen, ein lufthygienisches Gutachten erstellen lassen und ein umfassendes Verkehrskonzept vorlegen. Alles Dinge, die Müller-Milch bislang offenbar für unnötig hielt. […}
Wie man bei Müller-Milch mit Messungen und mit den Nachbarn umgeht, zeigt der jüngste Versuch einer Erschütterungsmessung des TÜV Bayern. Das große neue Becherwerk II sollte abgenommen werden und zwar im Vollastbetrieb. Josef Gediga dazu: „Der TÜV kam zu diesen Messungen, und dabei ist festgestellt worden, daß das Werk nicht mit voller Kapazität lief. Daraufhin ist der TÜV wieder abgezogen.“ Der TÜV wird wiederkommen, aber er hat darum gebeten, daß künftig immer ein Immissionsschutzingenieur des Landratsamtes zur Kontrolle dabei ist.
Lange Zeit war das Landratsamt Augsburg Theo Müller gegenüber sehr geduldig. Der Chef der Bauabteilung gibt offen zu, daß es eine Menge Dinge aus der Vergangenheit aufzuarbeiten gibt. Doch nun soll es vorbei sein mit der Nachsicht. Am Freitag vergangener Woche ist – kurz nach einem Bußgeldbescheid über 375 000 Mark wegen illegaler Grundwasserentnahme (siehe ZEIT vom 17. Mai) – ein weiterer folgenschwerer Bescheid des Landratsamtes an die Firma Müller ergangen. Es geht dabei um die Pfandpflicht für die beiden Produkte „Multivitamin- und Blutorangendrink“.
Nach Auffassung des Grünen-Abgeordneten Raimund Kamm – und inzwischen auch nach Überzeugung des bayerischen Umweltministers Peter Gauweiler – hat nämlich Müller-Milch mit einem simplen Trick versucht, die sogenannte „Zwangspfandverordnung“ für Getränke in Plastikbechern zu umgehen. Was Coca-Cola nicht geschafft hat, schien der schwäbischen Erfolgsmolkerei zu gelingen. Sie mischte den beiden Drinks kurzerhand zehn Prozent Süßmolke bei – zur Produktverbesserung, wie der Pressechef erklärte – und schon war nach Auffassung des Müller-Management ein „Lebensmittel eigener Art“ entstanden: Die Drinks seien keine Drinks mehr, und somit sei auch die Fünfzig-Pfennig-Pfandpflicht vom Tisch.
Doch die Rechnung hat Theo Müller ohne seinen Parteifreund Peter Gauweiler gemacht. „Jeder weiß, daß wir in der Bundesrepublik an Plastikpackungen zu ersticken drohen. Der Bund wird kritisiert, daß die Verordnungen nicht weit genug gehen. Da kann es doch nicht angehen, daß wir dann bei einer Firma die vorhandenen Bestimmungen nicht anwenden“, sagt der bayerische Umweltminister, „es kann sich doch niemand, nur weil er öffentlich Spektakel macht, einfach dieser Verordnung entziehen.“
[…]Bundesumweltminister Klaus Töpfer erhielt aus Aretsried zwei Briefe mit der Bitte um Unterstützung im Pfandstreit. Vorsichtshalber gab es vom mächtigen Herrn Müller auch noch einen Beschwerdebrief gegen Gauweiler an den bayerischen Ministerpräsidenten Max Streibl.
Doch Gauweiler läßt sich nicht umstimmen: „Das hilft ihm nichts, wenn er versucht, sich mit dieser Beschwerde dem normalen Gesetzesvollzug zu entziehen.“ Der Beschwerdebrief ändere „nichts an dem, was wir erklärt haben: Die Firma Müller ist verpflichtet, sich dieser Verordnung zu unterwerfen, und sie ist natürlich auch herzlich gebeten einzusehen, daß hier nicht einer Firma, die unübersehbaren Plastikmüll produziert, Sonderrechte eingeräumt werden können“. […]
Auch Kamm bekommt zur Zeit am eigenen Leib zu spüren, was schon so viele vor ihm erlebt haben: Müllers Vorliebe, Kritiker an die Wand zu drücken. Auf fünf Millionen Mark hat Müller den Streitwert einer Klage gegen Kamm festgesetzt – wegen einer umstrittenen Äußerung zu den Polystyrolbechern. „Damit soll ich alleine durch die Prozeßkosten finanziell in die Enge getrieben werden“, empört sich Kamm. Die Zivilklage gegen den Politiker läßt auch Müller-nahe Aretsrieder nur noch den Kopf schütteln. Ein Mitarbeiter: „Wie kann denn der so was machen. Die Leute solidarisieren sich doch mit dem Kamm, wenn sie das lesen.“ […]“.
soziologie.de, Nina Baur, 12.04.2013 (Zugriff: 03.02.2016)
Prof. Dr. Nina Baur hat auf Datenbasis von Quellen aus den Jahren 1980 bis 1999 einen Beitrag zur damaligen Theo Müller GmbH & Co.KG verfasst und 2013 auf soziologie.de veröffentlicht. Im Folgenden einige Auszüge:
Teil 1:
„[…] Das ist die eine Seite der Medaille, die aber nicht allein das Wettbewerbsverhalten und den Erfolg des Unternehmens erklärt. Meine Daten deuten darauf hin, dass das Unternehmen gleichzeitig gezielt Machtspiele und Marktmacht einsetze, um sich seinen Erfolg zu sichern. Das Verhalten der Firma ist damit ein gutes Beispiel dafür, wie Unternehmen die Politik durch Lobbyismus und politischen Druck (unter Aushebelung demokratischer Prinzipien und zum Nachteil von Steuerzahlern und Verbrauchern) beeinflussen sowie strukturschwache Regionen erpressen und gegeneinander ausspielen können.
Umgehen staatlicher Verordnungen und Gesetze
Dazu muss man wissen, dass der Stammsitz der Firma in Aretsried im Landkreis Augsburg (Bayern) liegt, der vor der Wende eine wirtschaftlich sehr schwache Region war, und hier ereignete sich die erste Missachtung der Marktregeln – die Firma verstieß laut Presseberichten gezielt gegen eine ganze Reihe staatlicher Verordnungen und Gesetze.
Konkret holte sie sich keine Baugenehmigungen ein, obwohl dies in Deutschland eindeutig vorgeschrieben ist. So schreibt die Süddeutsche Zeitung (11.01.1992):
„Im Zuge des rasanten Firmenwachstums ist auf dem Gelände der Großmolkerei Alois Müller GmbH & Co. (Müller-Milch) in Aretsried im Landkreis Augsburg in den vergangenen 20 Jahren zwölfmal schwarz gebaut worden. (…) So wurden das Becherwerk I, Teile des Becherwerks II, Produktionshallen, die Dampfkesselanlage, an die 50 Tanks und Silos sowie 41 Lkw-Abstellplätze ohne vorliegende Baugenehmigung errichtet. (…) Der Bau einer Stützmauer und das Aufstellen mehrerer Lagertanks (…) wären nicht genehmigungsfähig gewesen“.
Ein zweiter eindeutiger Regelverstoß ist die unerlaubte Entnahme von Grundwasser. Hierzu ebenfalls die Süddeutsche Zeitung (29.08.1991):
„Das Landratsamt Augsburg hat gegen das Unternehmen einen Bußgeldbescheid über 375 000 Mark erlassen, weil der Betrieb über drei Jahre hinweg aus seinen eigenen Brunnen erheblich mehr Grundwasser entnommen hat, als von der Behörde genehmigt worden war“.
Die Zeit (17.05.1991) erläutert, warum dies keine Bagatelle ist – und das Wasser sogar verschwendet wurde:
„Besonders prekär daran ist, daß es sich bei dem zusätzlich entnommenen Grundwasser um sogenanntes Tertiärwasser aus großer Tiefe handelt, das als äußerste Trinkwasserreserve gilt. ‚Und dieses wertvolle Wasser, immerhin rund 400.000.000 Liter oder mehr, das wurde ganz offensichtlich zum Kühlen und Reinigen verwendet“.
Auch eine Reihe von Umweltrichtlinien hielt das Unternehmen offensichtlich nicht ein und trug damit wesentlich zur lokalen Umweltverschmutzung bei. So berichtet die Die Zeit (17.05.1991 und 01.11.1991)
„In dem einst verträumten Ort (…) ist längst von den Schattenseiten des Molkereiwunders die Rede: vom Gestank, der wohl vom Becherwerk stammt, vom Fischsterben, weil laufend die Kläranlage durchgeht, vom ewigen Lkw-Verkehr“.
„(…) Einige Betriebsteile müssen umgehend saniert werden, fordert Gediga [der Leiter der Bauabteilung im Landratsamt]: die viel zu laute Milchannahme vor Ort, die Rührwerke in den riesigen Milchtanks und die Granulattanks. Die Klagen der Bevölkerung über Lärm und Gestank seien völlig berechtigt. Nun seien der Firma klare Fristen gesetzt worden. Müller-Milch müssen das viel zu lange verzögerte Gesamtlärmgutachten ergänzen, ein lufthygienisches Gutachten erstellen lassen und ein umfassendes Verkehrskonzept vorlegen. Alles Dinge, die Müller-Milch bislang offenbar für unnötig hielt“. […]“.
soziologie.de, Nina Baur, 12.04.2013 (Zugriff: 03.02.2016)
Prof. Dr. Nina Baur hat auf Datenbasis von Quellen aus den Jahren 1980 bis 1999 einen Beitrag zur damaligen Theo Müller GmbH & Co.KG verfasst und 2013 auf soziologie.de veröffentlicht. Im Folgenden einige Auszüge:
Teil 2:
„[…]Lobbyismus
Nun kann man sich fragen, warum die Firma mit diesen Regelverstößen so lange durchkam. Vermutlich waren dafür mehrere Faktoren verantwortlich. Ein erster war, dass die Firma ganz gezielt Lobby-Politik betrieb. Zu den Beeinflussten gehörten zunächst der damalige Bundesumweltminister und die bayrische Landesregierung (Die Zeit, 01.11.1991):
„Bundesumweltminister Klaus Töpfer erhielt aus Aretsried zwei Briefe mit der Bitte um Unterstützung im Pfandstreit. Vorsichtshalber gang es vom mächtigen Herrn Müller auch noch einen Beschwerdebrief gegen Gauweiler an den bayerischen Ministerpräsidenten Max Streibl. (…) Jahrelang konnte der Molkereibesitzer Theo Müller auf das Wohlwollen der bayerischen Regierung zählen“.
[…]
Drohung mit negativen Konsequenzen für die lokale Bevölkerung
Meine Daten deuten aber auch darauf hin, dass die freundschaftliche Beziehungspflege ergänzt wurde durch Drohungen, in einer strukturschwachen Region Arbeitsplätze zu vernichten (Süddeutsche Zeitung, 31.01.1992):
„Nach Verhandlungen mit Müller habe sich das Landratsamt aus übergeordneten Gesichtspunkten wie dem Erhalt der Arbeitsplätze und der Existenzsicherung der milchproduzierenden Landwirte jedoch entschlossen, die Sache ‚war nicht zu dulden, dagegen aber vorläufig auch nicht einzuschreiten’. (…) Informierte Kreise äußerten inzwischen die Vermutung, daß es sich bei dem Briefwechsel zwischen Müller und Vogele um ein Gentleman-Agreement handelt, das nach Rücksprache mit dem bayerischen Innenministerium zustande gekommen sei. (…) Theo Müller (…) drohte öffentlich, seine Molkerei mit 1200 Mitarbeitern aus dem Landkreis Augsburg abzuziehen“.
Die Kombination schien zu wirken. So berichtet etwa die Süddeutsche Zeitung (10.02.1993) über den Ausgang des Disputs über das entnommene Grundwasser, dass die Politik klein beigab. Statt die Firma dazu zu zwingen, sich an die Marktregeln zu halten, wurden – darauf deuten meine Daten hin – die Regeln geändert:
„Die Aretsrieder Großmolkerei Alois Müller GmbH & Co. (…) darf aus ihren firmeneigenen Tiefbrunnen künftig fast eine Million Kubikmeter Wasser pro Jahr fördern“.
Einschüchterung von politischen Gegnern
Sollte wider Erwarten doch jemand Rückgrat beweisen oder es gar wagen, gegen das Marktverhalten der Firma Widerstand zu leisten, so versuchte laut Medienberichten die Firma Müller-Milch, den unbequemen Widersacher mundtot zu machen. Dies galt sogar für Politiker, die ja eigentlich Immunität genießen – dennoch gelang es der Firma, diese zu umgehen. Betroffen war u.a. der grüne Kommunalpolitiker Hermann Schuttermair (Die Zeit, 17.05.1991):
„Hinstellen will sich im Dorf freilich niemand für das, was er sagt. (…) Wer es trotzdem tut, bekommt es manchmal mit den Müller-Anwälten zu tun. Zum Beispiel der grüne Kommunalpolitiker Hermann Schmuttermair aus dem Nachbardorf. Der hatte gesagt, der von Müller verwendete Verpackungsstoff Polystyrol stehe im Verdacht, krebserregend zu sein. Schuttermair berief sich auf das Berliner Institut für ökologisches Recycling. Doch dem stellten die Müller-Anwälte ein Gutachten des Fraunhofer-Instituts gegenüber, legten eine saftige Kostenrechnung in Höhe von 15.255,25 Mark für eine Abmahnung bei und forderten eine sofortige Unterlassungserklärung sowie die schriftliche Zusage, ‚der Molkerei Alois Müller jeglichen Schaden zu ersetzen, der aus seinen bisherigen diesbezüglichen Äußerungen entstanden ist und gegebenenfalls noch entstehen wird.’ Der Gegenstandswert wurde auf fünf Millionen Mark festgesetzt“. […]".
soziologie.de, Nina Baur, 12.04.2013 (Zugriff: 03.02.2016)
Prof. Dr. Nina Baur hat auf Datenbasis von Quellen aus den Jahren 1980 bis 1999 einen Beitrag zur damaligen Theo Müller GmbH & Co.KG verfasst und 2013 auf soziologie.de veröffentlicht. Im Folgenden einige Auszüge:
Teil 3:
Ausspielen von Standorte gegeneinander
Folgt man den von mir analysierten Zeitungsartikeln, wurde es dennoch Anfang der 1990er für Müller-Milch in Bayern ungemütlich – u.a. deshalb, weil sich die negativen Schlagzeilen in den Medien in dieser Zeit häuften. Meine Daten deuten darauf hin, dass die Firma in dieser Zeit zu einer weiteren Machtstrategie griff und damit dem Problem auswich:
[…] Ein günstiger Umstand war, dass die Mauer gerade gefallen war und die ostdeutsche Wirtschaft im Zuge der Wiedervereinigung zusammengebrochen war. Um westdeutsche Firmen zu Investitionen anzuregen, gab es daher zu Beginn der 1990er großzügige Subventionen und Investitionsbeihilfen. Müller-Milch nutze diese Gelegenheit und scheint damit einen doppelten Vorteil gehabt zu haben (Ausweichen aus dem ungemütlich werdenden Bayern & Subventionen). So berichtet Neues Land (28.12.1991):
„Der bayerische Milchkonzern ‚müller’ hat jetzt bei der brandenburgischen Landesregierung den Bau einer Großmolkerei beantragt. Voraussetzung ist die Gewährung einer 50prozentigen Investitionsförderung durch das Land, Bund und EG. (…) Bauort soll Neuruppin sein“.
Mit den finanziellen Zuschüssen allein schien sich die Firma aber nicht zu begnügen. Vielmehr versuchte sie laut Berichten der Wochenpost (20.03.1992), das Problem mit den Umweltrichtlinien und Wasserkosten (das ja, wie die obigen Beispiele zeigen, die Ursache für die politischen Schwierigkeiten in Bayern waren) von Anfang an zu umgehen – also dafür zu sorgen, dass die Marktregeln gleich zu Beginn im Sinne der Firma gesetzt wurden:
„Seit 1990 führt die Firma in Brandenburg Verhandlungen, um im Raum Neuruppin ein neues Werk zu bauen. (…) Immer wieder habe das Unternehmen versucht, Standorte gegeneinander auszuspielen, den Grundstücks- und Abwasserpreis sowie die Haftungssummen bei Havarien zu senken“.
Anscheinend waren weder bayrische Politiker (existierender Standort Aretsried) noch Brandenburger Politiker (geplanter Standort Neuruppin) bereit, sich auf die Forderungen von Müller einzulassen. Zumindest suchte sich Müller-Milch einen neuen (dritten) Standort – dieses Mal in der Nähe von Leipzig in Sachsen, und hier war man bereit, auf die Forderungen der Firma einzugehen (Die Tageszeitung 15.02.1992):
„Ort der Handlung ist diesmal die Gemeinde Schönau im Landkreis Gethain unweit von Leipzig (…) Dort will Müller (…) eine Milchverarbeitung mit Becherwerk errichten. Mit 180 Mill. DM werden etwa 500 Arbeitsplätze geschaffen. Die Investition wird aus den Töpfen der EG, des Bundes und des Freistaates Sachsen mit (…) knapp 65 Mill. DM bezuschußt. (…) Die Anlage, die erhebliche Abwasser ausstoße, (…) entstehe am Randes eines Wasserschutzgebietes (…). Zwar habe Müller die Genehmigung erhalten, aus eigenen Brunnen täglich 2800 Kubikmeter Wasser zu schöpfen. Doch würde dabei ein Reservoir in 100 Meter Tiefe, das zur Versorgung von 20.000 Einwohnern nötig sei, angezapft. ‚Wenn die Molkerei an diesem Standort entsteht, müssen wir per Pipeline Wasser in die Region pumpen’ (…). Die Kosten dafür beziffert Beacher auf 20 bis 60 Mill. DM. (…) Mit Jobnöten im Osten, argwöhnt Bracher, wurde gezielt Druck ausgeübt. (…) Als die Müller-Emissäre ihre Vorstellungen in Brandenburg nicht durchsetzen konnten, zogen sie nach Sachsen weiter. Dort wurde parallel mit zwei Landräten verhandelt. Ihnen wurde eröffnet, daß die Ansiedlung notfalls auch in Polen in Frage komme“.
Dieses Mal ha tten die Verhandlungen offensichtlich Erfolg (Die Welt, 15.02.1993):
„Dabei wurde am 17. September 1991 ein Vertrag von weitreichender Bedeutung geschlossen, und zwar im Freistaat Sachsen. In Westdeutschland ging man zu diesem Zeitpunkt noch immer davon aus, dass Müller im Raum Neurupin in Brandenburg ein neues Werk bauen wird“.
Ausschlaggebend für die Bereitschaft der sächsischen Regierung, sich auf die Forderungen der Firma einzulassen, waren erneut die Arbeitsplätze (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.01.1992):
„Jetzt sucht Müller-Milch noch nach einem Standort in der Nähe von Leipzig (…). Dabei würden 350 Arbeitsplätze geschaffen“.
Dieses Versprechen wurde aber offensichtlich nicht eingehalten (Die Tageszeitung, 15.02.1992, Wochenpost, 20.03.1992):
„Vierzehn Tage nachdem Müller die Mittelsächsischen Milchwerke gepachtet hatte, wurde aus heiterem Himmel der gesamten Belegschaft gekündigt“.
„Am 26. November 1991, elf Tage nach der Übernahme der Mittelsächsischen Milchwerke, schaffte Müller-Milch mit einem Brief an das Arbeitsamt Oschatz dann vollendete Tatsachen (…): ‚(…) zu unserem Bedauern sehen wir uns gezwungen, Antrag auf Genehmigung einer Massenentlassung für rund 255 Betriebsangehörige zu stellen.’ (…) Die Abgeordnete Kornelia Müller (…) reagiert erbost (…): ‚Sind das die Sitten, die Herr Müller zu uns exportieren wird und für die er dann auch noch fast 80 Millionen Mark Staatszuschuß für sein neues Werk bekommt?“ […]“.
soziologie.de, Nina Baur, 12.04.2013 (Zugriff: 03.02.2016)
Prof. Dr. Nina Baur hat auf Datenbasis von Quellen aus den Jahren 1980 bis 1999 einen Beitrag zur damaligen Theo Müller GmbH & Co.KG verfasst und 2013 auf soziologie.de veröffentlicht. Im Folgenden einige Auszüge:
Teil 4:
„[…] Danach suchte Müller abermals einen neuen (vierten) Standort – dieses Mal in Leppersdorf bei Dresden (also ebenfalls in Sachsen) (Die Tageszeitung 24.12.1993):
„Ohne nennenswerte Investitionen konnte Milchbaron Theo Müller bereits an die 13 Millionen Mark Fördermittel einstreichen. Schließlich versprach Müller, in Geithain bei Leipzig ein hochmodernes neues Milchwerk für 180 Millionen Mark zu bauen und 500 neue Arbeitsplätze zu schaffen. Bei dem Versprechen ist es geblieben. Denn jetzt will Müller ja die Sachsenmilch AG [Leppersdorf bei Dresden] weiterführen“.
Die Firma strich erneut erhebliche Fördermittel und Subventionen ein, und zwar wesentlich mehr, als sie hätte bekommen dürfen (Frankfurter Rundschau, 04.11.1994):
„Laut Prüfbericht [des Sächsischen Rechnungshofes] erhielt Müllermilch nicht nur 2.6 Millionen zuviel, weil Landwirtschaftsminister Rolf Jännichen (DCU) die Förderhöchstgrenze von 30 Prozent um 5 Prozent überschritt. Außerdem habe Müllermilch von im Dezember 1992 beantragten 12,8 Millionen Mark Förderung, die ausgezahlt wurden, nur eine Million für den geplanten Neubau ausgegeben. Die restlichen 11,8 Millionen Mark hätten nie ausgezahlt werden dürfen“.
Wiederum wurden die Marktregeln für die Firma gedehnt, und zwar wieder – wie in Bayern – bei den Baugenehmigungen (Süddeutsche Zeitung, 11.11.1994):
„Die Landesregierung hatte die Fördergelder im Dezember 1992 für den Bau eines neuen Molkereibetriebes im sächsischen Schönau/Nenkersdorf bewilligt, obwohl die Baugenehmigung noch nicht vorlag“.
Der Firma wurden aber nicht nur sehr günstige Investitionsbedingungen geboten, sie erlangte auch über ihre Verhandlungsstrategie erhebliche Marktmacht (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23.12.1993):
„Der Marktanteil des Unternehmens erhöhe sich damit auf 70 Prozent in Sachsen“.
Wenn man die Presseberichte liest, ist der Erfolg von Müller-Milch nicht nur durch ihre innovative Produktpolitik und das erschließen neuer Märkte, sondern eben auch durch solche Machtspiele zu erklären. Dass diese Tradition der Machtspiele auch nach der Jahrtausendwende fortgesetzt wurden, zeigen die Analysen von Jensen (2005) und auf Wikipedia. […]“.
spiegel online, 22.09.2003 (Zugriff: 26.01.2016)
Im Spiegel-Interview äußert sich Theo Müller über seinen Plan, in die Schweiz auszuwandern, um die deutsche Erbschaftssteuer zu umgehen und „seinen rüden Umgang mit den Kleinaktionären der Sachsenmilch AG […].
SPIEGEL: Herr Müller, Ihr Molkerei-Imperium fährt Renditen ein wie kaum ein anderes in der Branche. Nun wollen Sie wegen der Erbschaftsteuer in die Schweiz ziehen. Kriegen Sie den Hals nicht voll genug?
Müller: […] Fakt ist: Der Übergang meines Unternehmens an meine Kinder wird schon genug Stress bedeuten. […] Aber eine 30-prozentige Erbschaftsteuer wäre nicht mehr hinnehmbar. Die würde mein Unternehmen existenziell gefährden. Ich werde enteignet, beraubt, nennen Sie es, wie Sie wollen. Um das zu verhindern, werde ich wegziehen.
SPIEGEL: Die Steuerbelastung für Unternehmen wie Ihres ist in den vergangenen Jahren doch eher gesunken. Worüber regen Sie sich eigentlich auf?
Müller: […] Eichels Steuerreform ist auf einem Weg, mit dem ich sogar leben könnte. Mein Tod aber würde das Unternehmen um Jahre zurückwerfen, weil auf das Betriebsvermögen dann rund 200 Millionen Euro Erbschaftsteuer fällig wären. Meine Nachfolger müssten sich verschulden. Das geplante Investitionsprogramm von 600 Millionen für die nächsten fünf Jahre könnten die sich abschminken. Das ist schon deshalb unfair, weil eine derartige Belastung auf Konkurrenten wie Nestlé, Danone oder die Molkereigenossenschaften nie zukommen wird. Diese Steuer schadet also in erster Linie dem ohnehin gebeutelten Mittelstand.
SPIEGEL: Zum einen trifft die Erbschaftsteuer auch andere Familienfirmen wie
Ihre Konkurrenten Ehrmann, Bauer oder Meggle. […]
SPIEGEL: Wieso soll die Bundesregierung indirekt Ihre Expansionslust finanzieren?
Müller: Muss sie ja nicht. Aber sie soll die Expansion auch nicht behindern. Ansonsten bin ich eben weg.
SPIEGEL: Sie tricksen den Fiskus mit Ansage aus.
Müller: Ich würde doch sofort wieder zurückkommen. Es ist ja nicht so, dass ich aus Jux und Tollerei in die Schweiz auswandere. Ich bin durchaus Patriot. Aber so, wie es jetzt läuft, läuft es falsch.
[…]
SPIEGEL: Gegen staatliche Subventionen haben Sie sich auch nie gewehrt. Klingt, als wollten Sie erst abschöpfen, dann abhauen.
Müller: Quatsch. Natürlich bekommen wir Subventionen - vor allem für den Aufbau unseres Milchwerks in Leppersdorf bei Dresden, das zum größten und modernsten der Welt werden soll. Ja und? All unsere deutschen Werke werden nach wie vor ihre Gewinne hier versteuern. Die Steuern werde ich auch immer ohne Murren bezahlen.
SPIEGEL: Solange es die Hilfen gibt ...
Müller: ... muss ich sie mitnehmen, solange sie jeder bekommt. Ist doch klar. Aber ehrlich gesagt: Auf Dauer kann das hiesige Subventionssystem nicht funktionieren. Das sage ich, auch wenn ich bis jetzt selbst davon profitiere.
SPIEGEL: Bei Ihren Fluchtplänen schwingt immer die Drohung mit, dass Sie auch die Produktion mal ins Ausland verlagern könnten.
Müller: Meine Heimat ist Deutschland. Mein Englisch ist schlecht. Die nächste Müller-Generation, das werden international ausgebildete Weltbürger sein. Wo die ihr Kapital investieren, ist dann deren Sache. […]
SPIEGEL: Ihre Sorge um die hiesige Volkswirtschaft in allen Ehren, aber bei der Sachsenmilch AG kann man Ihre wahre Strategie ganz gut ablesen. 1994 kauften Sie 85 Prozent des Pleite-Unternehmens, brachten es wieder auf Kurs, tun aber seither alles, um die Gewinne klein zu halten.
Müller: Wir machen nur von den gesetzlichen Möglichkeiten Gebrauch ...
SPIEGEL: ... und kämpfen mit allen Tricks dagegen an, Ihren verbliebenen Kleinaktionären eine Dividende ausschütten zu müssen.
Müller: Die Deutsche Bank hat denen 1993 das Angebot unterbreitet, ihre Aktien zum Einstiegspreis zurückzukaufen. Die Kleinanleger ließen sie abblitzen und vertrauten lieber auf mein unternehmerisches Geschick. Die haben gepokert und verdienen von niemandem Mitleid.
SPIEGEL: Sie missbrauchen den Grundgedanken der Börse - und die Aktionäre als nützliche Idioten Ihres Steuersparmodells.
Müller: Moment! Wir halten bei der Sachsenmilch AG alle Transparenzregeln ein und sind offen wie eine Sandale. Aber ich bin mit Leidenschaft Chef eines Familienunternehmens. Und da lasse ich mir die langfristige Strategie nicht von Kleinaktionären oder atemlosen Analysten dirigieren. […]“.